C. Günther, Dr. A. Jahreiß
Unterwegs mit Eichhörnchen Ich-kenn-mich-aus!
Wege der Orientierung finden und gehen in Jahrgangsstufe 1/2
Eichhörnchen sind dafür bekannt, dass sie Vorräte sammeln, verstecken, diese wieder suchen, dabei zahlreiche Wege zurücklegen und sich sehr geschickt in ihrem Lebensraum orientieren.
Das folgende Unterrichtsbeispiel greift das Eichhörnchen als Identifikationsfigur auf. Grundschulkinder der 1. und 2. Jahrgangsstufe erkunden ihren schulischen Lebensraum und finden bzw. beschreiten dabei verschiedene Wege der Orientierung.
Der Begriff Weg(e) weist in diesem Kontext konkret auf räumliche Wege in der vertrauten Umgebung hin, er steht aber ebenso für methodische Wege, die im Verlauf des Unterrichts eingeschlagen werden können.
Auch für den Begriff Orientierung sind zwei Bedeutungsvarianten zu unterscheiden. Erstens drückt er das Zurechtfinden in bekannten Räumen aus. Zweitens meint er darüber hinausgehend die geistig-kreative Orientierung der Kinder, ihre Begabungen im geographisch-kartographisch-mathematischen Bereich zu finden und weiterzuentwickeln.
Intention
Damit ist die Intention der Unterrichtsreihe bereits umrissen. Ziel ist der Aufbau von räumlicher Orientierungskompetenz, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Feststellen, Nutzen und Ausbauen unterschiedlicher Begabungspotentiale liegen soll. Praxisnah bietet es sich an, diese in Niveaustufen einzugruppieren und dabei die in der Kompetenzforschung (z.B. IQB, Humboldt-Universität Berlin) übliche Skala mit fünf Kategorien auf die drei Niveaustufen I, II und III zu reduzieren.
Anbahnung und Entwicklung von räumlicher Orientierungskompetenz ist ein Schwerpunktbereich im bayerischen LehrplanPlus HSU. Er berücksichtigt in der Jahrgangsstufe 1/2 im Lernbereich 5: Raum und Mobilität, 5.1 Räume wahrnehmen und sich orientieren die drei Kompetenzteilbereiche Beschreiben von Wegen und Objekten mit Hilfe von Raum-Lage-Begriffen, einfache Pläne und Grundrisse lesen und einfache Pläne und Grundrisse zeichnen. Der gewählte Raumausschnitt erstreckt sich dabei vom Klassenzimmer über das Schulgebäude bis hin zum Schulgelände (LehrplanPlus Grundschule 2014, S. 238). Der Kompetenzteilbereich Beschreiben von Wegen und Objekten mit Hilfe von Raum-Lage-Begriffen findet im Fachlehrplan Mathematik beim Lernbereich 2: Raum und Form, 2.1 Sich im Raum orientieren eine Entsprechung. Dort werden als Kompetenzerwartungen die Verwendung von Lagebegriffen zur treffenden Beschreibung der Lagebeziehungen von Gegenständen im Raum und das Beschreiben von Wegverläufen in der unmittelbaren räumlichen Umgebung sowie das Verfolgen von Wegen nach Anweisung sowohl handelnd als auch in der Vorstellung formuliert (LehrplanPlus Grundschule 2014, S. 226).
Die Lehrplan-Vorgaben aufgreifend, wird für die Unterrichtsorganisation ein basales Diagnose-, Förder- und Strukturierungsinstrument in Form einer Matrix entwickelt. Sie ordnet die drei zu berücksichtigenden Raumausschnitte den explizit genannten Kompetenzteilbereichen und den Niveaustufen I bis III zu. In der Tabelle Kompetenzniveauorientierte Begabungsförderung zur räumlichen Orientierung (Jahrgangsstufe 1/2) wird die Kompetenzniveaustufe III in oranger Farbe hervorgehoben. Sie markiert die Ebene, auf der die Förderung besonders begabter Kinder erfolgt.
Ablauf und Aufbau der Unterrichtsreihe
Die Unterrichtssequenz ist in einem offenen oder gebundenen Konzept durchführbar. Die benötigte Unterrichtszeit hängt ab von der Lern- und Leistungsbereitschaft der Kinder sowie den äußeren Rahmenbedingungen (z.B. Größe des Schulhauses).
Im Sinne einer kompetenzniveauorientierten Begabungsförderung ist die Unterrichtsreihe so aufgebaut, dass die Schülerinnen und Schüler in den Raumausschnitten Klassenzimmer, Schulgebäude und Schulgelände immer wieder in den Teilkompetenzen Wege beschreiben, Karten lesen und Karten zeichnen entsprechend ihrem Begabungsniveau gefördert werden können. Nach jedem Lernarrangement erfolgt ein Haltepunkt, welcher Zeit für Evaluation und Feedback einräumt. Zweck dieser Haltepunkte ist es, den Kindern die Möglichkeit zu eröffnen, im nächsten Lernarrangement auf ihrem derzeit erkennbaren Begabungsniveau weiterzuarbeiten. Eine Übersicht zur Verlaufsstruktur mit Hinweisen zu den jeweiligen Kompetenzteilbereichen, Inhalten bzw. Methoden und zu den beigefügten Materialien findet sich im Sequenzplan Unterwegs mit Eichhörnchen Ich-kenn-mich-aus! Wege der Orientierung finden und gehen in Jahrgangsstufe 1/2 .
Differenzierung
„Personorientierte Begabungsförderung“ (Weigand u.a. 2014) auf Unterrichtsebene erfordert Konzepte mit ausgeprägter Differenzierung (beispielsweise durch unterschiedliche Aufgaben, Methoden, Materialien und Medien). Besonders begabte Kinder benötigen darüber hinaus eine interessante, inhaltlich tiefer gehende Herausforderung, zu deren Bewältigung Kompetenzen auf sehr hohem Niveau entfaltet werden müssen. Im Bereich der räumlichen Orientierung kann dies zum Beispiel über die intensive Auseinandersetzung mit anderen, größeren oder komplexeren Raumausschnitten gelingen (vgl. dazu Hemmer u.a. 2012, S. 66 f., Lenz 2012).
In der Unterrichtssequenz sind derartige Förderformate (vgl. auch Weigand u.a. 2014, S. 161 f.) bei der Konzeption der Arbeitsblätter für verschiedene Niveaustufen und bei den Haltepunkten mit Evaluation und Feedback berücksichtigt. Die Rückmeldungen sind ebenfalls differenziert nach Schüler- und Lehrereinschätzungen konzipiert (Musterlösungen ). Auf diese Weise unterstützen sie Metakognition bzw. Reflexion sowie die dialogische Auseinandersetzung und dienen als Grundlage für Fördergespräche.
Weiterführung
Um Kinder nachhaltig fördern zu können, benötigen begabungsorientierte Unterrichtskonzepte allerdings ein entsprechendes Angebot auf Schulebene (vgl. Steenbuck u.a. 2011). Als Weiterführung der vorgestellten Sequenz könnten z.B. geographisch-kartographisch-mathematisch begabte Kinder für die zukünftigen Erstklässlerinnen und Erstklässler Klassenpatenschaften übernehmen (Orientierung im Schulhaus in den ersten Wochen) oder in einer jahrgangsstufenübergreifenden Arbeitsgemeinschaft zu digitalen Karten und Globen eine neue Herausforderung finden.
Literatur
- Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (Hrsg., 2014): LehrplanPlus Grundschule. Lehrplan für die bayerische Grundschule. München.
- Hemmer, I. u.a. (2012): Zur Relevanz ausgewählter personenbezogener Einflussfaktoren auf die kartengestützte Orientierungskompetenz. In: Hüttermann, A. u.a. (Hrsg., 2012): Räumliche Orientierung. Räumliche Orientierung, Karten und Geoinformation im Unterricht. (= Geographiedidaktische Forschung 49). Braunschweig, S. 64-73.
- Lenz, Th. (2012): Neue Aufgabenkultur im Geographieunterricht am Beispiel der Kartenauswertekompetenz. In: Hüttermann, A. u.a. (Hrsg., 2012): Räumliche Orientierung. Räumliche Orientierung, Karten und Geoinformation im Unterricht. (= Geographiedidaktische Forschung 49). Braunschweig, S. 192-203.
- Steenbuck, O. u.a. (Hrsg., 2011): Inklusive Begabtenförderung in der Grundschule: Konzepte und Praxisbeispiele zur Schulentwicklung. Weinheim.
- Weigand, G. u.a. (2014): Personorientierte Begabungsförderung. Eine Einführung in Theorie und Praxis. Weinheim.
Link
https://www.iqb.hu-berlin.de/bista/ksm (letzter Aufruf Mai 2015)