Portal Besonders Begabte finden und fördern

U. Becker 

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Die Schule stellt für Schüler und Schülerinnen nicht nur ein Lernumfeld dar, sondern darüber hinaus auch ein soziales Umfeld, manchmal ist es dies für die Lernenden sogar an erster Stelle. Diese Aussage gilt auch für besonders begabte Kinder und Jugendliche. Es ist außerdem so, dass besonders Begabte den für sie passenden Platz im sozialen Gefüge der Klasse genauso brauchen wie alle anderen Schüler. Die Erfüllung dieses Bedürfnisses kann mit Schwierigkeiten verbunden sein.

 

 1. Lehrkräfte

Als Lehrkräfte bemerken wir, wenn wir besonders begabte Kinder und Jugendliche in unseren Klassen beobachten, z.B.

  • ihre fehlende Integration in die Klassengemeinschaft,
  • wiederkehrende Spannungen mit Mitschülern oder Mitschülerinnen,
  • ihr fehlendes Gespür für das gerade sozial Passende und/oder
  • wiederkehrende Konfrontationen mit der Lehrkraft.

2. Mitschülerinnen und Mitschüler

Mitschüler und Mitschülerinnen spüren möglicherweise, dass der bzw. die besonders Begabte nicht im Mainstream mitschwimmt. Je nach Altersstufe und Entwicklungsphase wird dies mit einem Schulterzucken registriert, zum Anlass für intensive, interessierte Nachfrage genommen oder als inakzeptabel für die Klasse angesehen. Daraus können sich jeweils ganz unterschiedliche Dynamiken im positiven – der angesehene Alleskönner oder Spezialist – wie im negativen Sinne – der „uncoole“, nur lächerliche Spinner oder der Exot – entwickeln. Besonders Begabte bekommen demnach entweder einen Platz im Zentrum zugewiesen oder in einer Nische, in der es sich möglicherweise auch gut leben lässt, oder werden vielleicht von der Gruppe in eine Außenseiterposition gedrängt, unter der sie leiden.

 

3. Besonders Begabte 

Besonders Begabte könnten ihre Situation in der Klasse folgendermaßen wahrnehmen:

  • Sie erleben die Situation intensiver als ihr soziales Umfeld und reagieren dementsprechend sensibel.
  • Sie registrieren das eigene Befinden genau und reflektieren darüber. Selbstzweifel können die Folge sein.
  • Sie hinterfragen Autoritäten und wollen überzeugt werden, auch von der Lehrkraft.
  • Sie  arbeiten sehr schnell und verstehen nicht, warum die Klassenkameraden, um die gleichen Lernziele zu erreichen, länger brauchen.
  • Sie sind perfektionistisch und brauchen Zeit, um Aufgaben zu ihrer Zufriedenheit zu lösen; das macht die anderen ungeduldig.
  • Sie interessieren sich sehr für (Spezial-)Themen und finden keine Gleichgesinnten unter den Mitschülern.
  • Sie verstehen schnell und drängen ihr Wissen den anderen in der Klasse auf. Dadurch wirken sie dominant.

Das Beschriebene muss nun keineswegs alles eintreten, denn die Vielfalt der vorhandenen Persönlichkeitsmerkmale besonders Begabter ist genauso groß wie in der gesamten Schülerschaft. Darüber hinaus spielen situative Faktoren wie das allgemeine Klassenklima (s.o.) oder die Haltung der Lehrkraft eine nicht zu unterschätzende Rolle. Auch die Erfahrungen, die ein hochbegabtes Kind in seiner bisherigen Schullaufbahn gesammelt hat, sind von Bedeutung.

Betts et al. (2008) haben trotz der vorhandenen großen Varianz versucht, typische Verhaltensprofile besonders Begabter zu beschreiben. Sie fanden sechs Profile, die diese in der Klasse häufiger als andere Lernende zeigen. Besonders Begabte können Verhaltensmerkmale aus einem oder mehreren der folgenden Profile zeigen:

  • der erfolgreich Lernende
  • der Herausforderer
  • der Rückzieher
  • der Aussteiger
  • der doppelt oder mehrfach Außergewöhnliche
  • der Selbstbestimmte

Bei der jeweiligen Profilbeschreibung werden folgende Dimensionen berücksichtigt:

  • Gefühle und Haltungen, Verhaltensmerkmale, Bedürfnisse des Kindes
  • Wahrnehmung des Kindes durch Erwachsene und Gleichaltrige
  • Erkennungsmerkmale des Kindes
  • häusliche und pädagogische Maßnahmen

Diese Profile können ein Hilfsmittel sein, um das Verhalten besonders Begabter einzuordnen und zum jeweiligen Profil passende  Maßnahmen zu entwickeln. Handlungsziel dabei ist, besonders Begabte besser in die Klassengemeinschaft zu integrieren. Allgemeingültige Rezepte gibt es dabei nicht, die vorgeschlagenen Maßnahmen sollten als Anregungen verstanden und in Hinblick auf jeden Einzelfall kombiniert und variiert werden.   

Hier können Sie die detaillierten Beschreibungen aller sechs Verhaltensprofile (Betts & Kercher, 2008, S. 24 ff.) nachlesen und ausdrucken: pdf

 

Lernspiele zu den Verhaltensprofilen finden Sie unter Materialien / Interaktive Materialien


 Literatur

  • Betts, G. T. & Kercher, J. K. (2008) (Hg. Mönks, F. J. & Kempter, U.) Der Weg des selbstbestimmten Lernens. LIT-Verlag