C. Günther, Dr. A. Jahreiß

Musisch-ästhetisch begabte Grundschulkinder entdecken und fördern

Ein Projektbericht mit Ausblicken

Im Schuljahr 2012/2013 wurde an der Grundschule Giebelstadt im südlichen Landkreis Würzburg (Regierungsbezirk Unterfranken) das Großprojekt Aus ICH und DU zum WIR durchgeführt. Höhepunkt war die Aufführung des Musicals Drei Wünsche frei* beim Schulfest durch die Schülerinnen und Schüler der ersten bis vierten Jahrgangsstufe. Dabei entpuppten sich bei den Mitwirkenden derart erstaunlich Talente, so dass die Darbietungen zu weiteren Förderangeboten für Kinder mit musisch-ästhetischen Begabungen führten.

 

Intention

Kindern unterschiedlichen Alters, unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlicher Nationalität, unterschiedlicher sozialer Herkunft sowie mit unterschiedlichem Leistungspotenzial sollte durch das Großprojekt eine Plattform gegeben werden, individuelle Stärken, Interessen und Begabungen zu entfalten und zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen zu können.

 

Vorbereitung der Musicalaufführung

Planung und Organisation der Musicalaufführung erstreckten sich über das gesamte Schuljahr. Neben den Hauptakteuren, den Schülerinnen und Schülern, waren Schulleitung, Lehrerkollegium, Mitarbeiterteam und Eltern beteiligt. Von Beginn an engagierten sich auch freischaffende Künstlerinnen und Künstler (Musiker und Designer) aus der Region. Sie fungierten als Experten und brachten ihr spezielles Können und ihre Erfahrungen bei den Vorbereitungen in den diversen Sparten und der Betreuung der einzelnen Kindergruppen ein:

Sparte

Klasse/AG

Verantwortung
(in Kooperation mit Lehrkräften)

Bühnenbild & Requisiten
Gestalten der Kulisse
2a Farbdesignerin
Licht & Technik
Installieren von Ton und Beleuchtung
- Hausmeister,
ehrenamtliche Helfer
Kostüm & Maske 
Entwerfen und Nähen der Kostüme, Schminken der Akteure
Theater-AG Modedesignerin
Chor & Orchester 
Proben der Lieder und Instrumentalstücke
alle Klassen Musiklehrer der städtischen Musikschule Würzburg
Tanz & Choreographie 
Einstudieren der Tanzeinlagen
Theater-AG Leiterin der Theater-AG
Werbung & Verkauf 
Herstellen von Unikaten für den Künstlershop
1a, 3a, 4a Farbdesignerin



Durchführung der Musicalaufführung

Das Musical wurde an zwei Abenden in der großen Schulaula aufgeführt. Es muss erwähnt werden, dass fast alle Hauptdarstellerinnen und -darsteller einen Migrationshintergrund haben. Die Eltern, teilweise der deutschen Sprache kaum mächtig, verfolgten stolz die Leistungen ihrer Kinder. Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Muttersprache sangen begeistert, mit der richtigen Intonation und adäquater Gestik bzw. Mimik sämtliche Lieder fehlerfrei mit. Andere begleiteten den Chor stimmig mit ihren Musikinstrumenten.

Die Unikate des Künstlershops fanden bei den Gästen reißenden Absatz. Bereits bei der ersten Vorstellung waren die von Kindern liebevoll gestalteten Postkarten, Kalender sowie die bemalten Leinwände nahezu restlos ausverkauft.

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Die Aufführung in einer „Traumkulisse“ sowie der Erfolg des Künstlershops riefen bei den kleinen Künstlerinnen und Künstlern große Begeisterung für Theater- und Musikaufführungen sowie für ästhetisches Gestalten hervor. Nie vermutete individuelle Begabungen in Gesang und Melodie, in Gestik und Mimik, in Formgestaltung und Farbauswahl sowie in Instrumentenspiel und Rhythmik wurden erkennbar und weckten bei allen Beteiligten den Wunsch, diese musisch-ästhetischen Potenziale weiter auszubauen.

 

Weiterführung des Projekts

Die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern war für die Kinder so gewinnbringend, dass die Kooperation mit externen Partnern aus dem musisch-ästhetischen Bereich von der Schule fortgeführt wird.

Großen Anklang findet in Verbindung mit den örtlichen Musikvereinen die bereits gegründete Bläserklasse. Zweit- und Drittklässler haben auf freiwilliger Basis jeweils wöchentlich Einzelunterricht auf ihrem Instrument und jeden Freitag eine gemeinsame Gesamtorchesterprobe. Kooperationen mit der örtlichen Ballettschule oder der städtischen Musikschule bieten zusätzliche Anreize, Begabungen und Talente in Gesang, Rhythmik und Ausdruck über den regulären Unterricht hinaus auszubauen.

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In der Werkstatt „Gestalten“, die von der Farbdesignerin und Künstlerin Renate Gresser mit großem Engagement betreut wird, werden im Rahmen des Ganztagsunterrichts neue Schulprojekte umgesetzt. Beispielsweise haben Grundschulkinder als Motive für Raumteiler in der Aula großformatige Portraits ihrer eigenen Gesichter angefertigt und verfremdet.

 Den kleinen Künstlerinnen und Künstlern eröffnet sich die Möglichkeit, mit verschiedenen Techniken zu experimentieren, ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren und dabei ihre Gestaltungsabsichten und Erkenntnisse einem interessierten Publikum zu erklären. Neben der Werkstatt könnte zukünftig auch ein Atelier eingerichtet werden, in dem Künstlerinnen oder Künstler aus der Region Schulprojekte mit Schwerpunkt „Malen“ betreuen.

Darüber hinaus wären weitere schulische Angebote für interessierte Kinder denkbar, beispielsweise von Lehrkräften geleitete Theater-, Tanz- oder Chorstunden, zu denen Autoren, Dramaturgen, Schauspieler, Tänzer oder Sänger beider Geschlechter in den Unterricht eingeladen werden. Als Gäste übernehmen sie Proben und diskutieren mit den Schülerinnen und Schülern Interpretations- oder Präsentationsformen oder beraten diese bei der künstlerischen Umsetzung.

 

Visionen zur Förderung besonders musisch-ästhetisch begabter Kinder

Dieses sich im Aufbau befindende Angebot steht selbstverständlich allen interessierten Kindern der Schule offen. Besonders musisch-ästhetisch begabte Schülerinnen und Schüler sollten allerdings eine intensivere Förderung durch ein auf sie zugeschnittenes pädagogisches Förderkonzept erhalten. Die Überlegungen zu einer entsprechenden Organisationsstruktur gehen in folgende Richtung:

Regelmäßig in bestimmten Zeitabschnitten wiederkehrende Großprojekte zu Theater- oder Musikaufführungen mit ihrem breiten Spektrum an künstlerischen Betätigungsfeldern bilden die Basis, um besondere Begabungen und Potenziale bei den Mitwirkenden zu entdecken. Ein Beobachtungs- und Wahrnehmungsbogen unterstützt die von Experten aus unterschiedlichen Bereichen durchgeführte „Talentsuche“ und ermöglicht differenzierte Aussagen zum Begabungsspektrum. Die am Projekt beteiligten Lehrkräfte, Künstlerinnen und Künstler füllen den Bogen pdf für besonders talentierte Kinder im Laufe der Projektvorbereitungsphase aus.

Das Dokument dient als Grundlage für ein Eltern-Schüler-Lehrer-Gespräch. Im Mittelpunkt stehen dabei erkennbare Begabungen im musisch-ästhetischen Bereich und Möglichkeiten einer von den Eltern und der Schule gemeinsam getragenen, gezielten weiteren Förderung. Der Bogen und das Gespräch sind gleichzeitig Orientierungshilfen zum Auswählen spezieller künstlerischer Betätigungsfelder beim „Markt der Möglichkeiten“. Dort werden im Rahmen des Schulfestes oder beim Tag der offenen Tür an mehreren Ständen verschiedene Angebote präsentiert und von den Verantwortlichen erklärt. Die Schülerinnen und Schüler können sich in Interessen- bzw. Teilnehmerlisten eintragen. 

Alle Anbieter treffen sich im Anschluss zur jährlichen „Begabungssitzung“. An ihr nehmen die Künstlerinnen und Künstler, die Lehrkräfte und die Schulleitung teil. Bei Bedarf kann ein Schulpsychologe oder ein Sozialpädagoge hinzugezogen werden. In der Konferenz werden mit Zustimmung der Eltern gezielt individuelle Förderkonzepte entwickelt, diskutiert und fixiert pdf. Zudem wird eine Mentorin oder ein Mentor (siehe Mentoring) ausgewählt. Deren Aufgabe ist es, das besonders begabte Kind auf seinem Förder- bzw. Entwicklungsweg zu begleiten und Fortschritte oder auch Rückschritte zur Besprechung bei einer späteren „Begabtensitzung“ vorzustellen.

Gemeinsam mit den Mentoren führt der Schüler oder die Schülerin ein Portfolio. Darin sind Förderpläne, Gesprächstermine, Fotos bzw. Audiodateien von eigenen künstlerischen Werken oder Aufführungen, auch Originale zu sammeln und Entwicklungsverläufe oder Empfehlungen zu dokumentieren. Das Portfolio kann der Grundstock sein für eventuell später anzulegende Kunstmappen zur Bewerbung an speziellen Schulen, Akademien oder Hochschulen im musisch-ästhetischen Bereich.

 

Fazit

Das Projekt zur Aufführung des Musicals Drei Wünsche frei durch Grundschulkinder mit der Intention Aus ICH und DU zum WIR hat so viel Strahlkraft und Dynamik, dass es eine schulische Weiterentwicklung in mehreren Phasen und über mehrere Jahre hinweg in Richtung Förderung musisch-ästhetisch begabter Schülerinnen und Schüler nahelegt. Das anfängliche Motto pdf muss deshalb ergänzt werden: Aus ICH und DU zum WIR – auf in die ZUKUNFT!

 

*Informationsmaterial, Lieder, Noten und Rechte zur Aufführung des Kindermusicals bei Schulveranstaltungen sind kommerziell erwerbbar. Näheres unter: www.3wuenschefrei.de